Sekretärin von Beruf, das ist ein Beruf im harten Büroalltag. Nina ist Sekretärin und geht jeden Morgen mutig ins Büro. Sie arbeitet in einem Grossraumbüro mit drei anderen Hyänen, halt Sekretärinnen. Im Moment geht es um Gehaltsverhandlungen und die Gunst beim neuen Chef. Er ist aber auch süss, der neue Chef, und alle vier Sekretärinnen im Grossraumbüro träumen davon, seine Frau zu werden.
Dass er bereits verheiratet ist, stört hier niemanden, denn Frauen kommen und gehen, das kann man schon irgendwie hinbiegen. Nina sitzt verträumt an ihrem Schreibtisch und spürt, wie die Blicke der anderen Frauen ihren Rücken berühren. Dass Blicke einen Menschen wie Hände umarmen oder berühren können, weiss Nina erst, seit sie in diesem Grossraumbüro sitzt. Aber irgendwo muss das Geld ja herkommen, denn Nina möchte sich am Wochenende das rote Kleid im Schaufenster leisten.
Darin sieht sie umwerfend aus. Anprobiert hat sie es bereits, aber es hängt wegen Geldmangels eben noch im grossen offenen und begehbaren Kleiderschrank der Modeboutique. Solange Nina nicht mit ihrem Chef verheiratet ist, muss sie als Sekretärin arbeiten. Erschreckend viele Frauen denken in dieser Art und Weise über ihre Lebensfinanzierung nach. Dabei vergessen sie, dass Frauen gehen und neue Frauen kommen. Der Ehemann ist keine Riesterrente, die einem sicher ist, bis man alt und grau wird. Besonders alte und graue Frauen werden gerne ausgetauscht. Nina hat endlich zu arbeiten begonnen.
Sie hat einen Stift ausgepackt und beginnt ihren Tag heute mit Bleistift spitzen. Bis die erste Kaffeepause kommt, wird der Bleistift schon fertig gespitzt sein. Ninas Blick fällt auf den ersten Aktenstapel, der bearbeitet werden muss. In diesem Moment kommt der Chef ins weiblich angehauchte Büro und legt mit einem Lächeln im Gesicht einen Stapel Papier hin, der in den Aktenvernichter muss.
Alle Sekretärinnen sind plötzlich weich wie Butter, als sie den Chef sehen. Die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft kennt plötzlich keine Grenzen mehr. Es artet auf einmal alles in zufriedene Arbeit aus, und die erste Kaffeepause ist schnell vergessen. Der Chef sollte aus arbeitstechnischen Gründen sein Büro lieber zusammen mit den Sekretärinnen im Grossraumbüro aufbauen, dann arbeiten alle besser und fleissiger.
Nina nimmt den Aktenstapel und lässt ihn glücklich und verträumt durch den Aktenshredder laufen. Halt, was rennt hier durch den Shredder? Es ist der falsche Papierstapel. Nein, Nina ist das nicht gewesen, und plötzlich schieben sich alle Sekretärinnen gegenseitig die Schuld zu. Nach dieser harten Arbeit geht es endlich in die Mittagspause, denn heute müssen Überstunden gemacht werden, um den Schaden zu begrenzen.