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Stirbt die Telefonzelle aus?Eine Telefonzelle ist ein kleines öffentliches Telefonhäuschen, in welchem man günstig telefonieren kann, natürlich von unterwegs aus. Sie war einmal, denn heute besitzen wir Handys und Smartphone, Tablets und mobile Notebooks, und am Handgelenk die obligatorische Smart-Watch, und die Datenbrille auf den Augen. Das alles ersetzt die alte Telefonzelle wunderbar. Eine Telefonzelle ist selten geworden. Sie besitzt Flair, und in den alten Telefonbüchern findet man kaum noch Nummern, die heute noch aktuell sind. Das Wertkartentelefon war übrigens der Hit der Telefonzellen, da man die Telefonwertkarten sammelte und einen richtigen Kult daraus machte. So ein Münzapparat oder Wertkartenapparat funktioniert heute noch zuverlässig. Man wirft Münzen ein, heute sind es Euro-Münzen, man wählt seine gewünschte Nummer, und man telefoniert so lange, bis das Münzgeld verbraucht ist. Draussen standen früher immer einige Leute, die sehnsüchtig darauf warteten, endlich selbst telefonieren zu können, und deshalb musste man die Gespräche kurz halten. Trotzdem erzählten sich manche Leute ganze Romane in der Telefonzelle. Stirbt die alte Telefonzelle aus?Gibt es sie noch, die gute alte Telefonzelle? Früher stellte ich mich in so einem Telefonhäuschen unter, wenn es zu regnen anfing, denn da drin wars immer relativ trocken. Und was fehlte trotzdem? Die wichtigen Seiten aus dem Telefonbuch, falls überhaupt ein Telefonbuch in der Telefonzelle lag, die Seiten fehlten immer. Meine Seiten, die ich brauchte, fehlten immer, sodass ich mir angewöhnte, das Telefonbuch als Bettlektüre zu lesen und die Nummern auswendig zu lernen. Heute gehe ich mit mir selbst, meinem Lebenspartner und einem guten Hörbuch ins Bett. Ich habe aufgehört, das Telefonbuch zu lesen. Es war einfach zu spannend und mitreissend für mich, sodass ich nachts nicht schlafen konnte, da ich von lauter durchnummerierten Albträumen geplagt wurde. Ich führe nämlich seit dem Massensterben der Telefonzellen ein Handy mit integriertem Adressbuch mit mir, und wehe, der Akku ist leer. Hilfe, meine heiss geliebte Telefonzelle stirbt aus. Dort traf sich doch immer mein übersichtlich kleiner Fanclub zum gemeinsamen Plausch, kommunikativ und anonym. Nicht dass meine Fans zusammen mit den Telefonzellen jetzt auch noch aussterben, nur weil ihnen die gemütliche Lokation unter den Füssen weggezogen wird. Können Sie sich noch an damals erinnern, als diese gelben, manchmal nach Rauch oder zurückgebliebenem Schweiss duftenden Telefonhäuschen griffbereit am Strassenrand standen? Hatten Sie damals eigentlich immer genug Kleingeld, um so einen Jammerkasten zu nutzen? Ich kann mich noch daran erinnern, wie ich bei Regen vor einer Telefonzelle stand und drinnen kein trockenes Plätzchen für mich frei war, da jemand seine Lebensgeschichte am Telefon erzählte. Wie ärgerlich, meine frisch gekauften Lackschuhe wurden nass. Nun, ich hatte ja sonst keine Sorgen, ich war jung, brauchte Geld und konnte mir kein Handy leisten. Die Telefonzelle war der einzige Zufluchtsort, um sich mit meiner neuen Liebe zu treffen. Er wohnte in Frankfurt, und ich lebte gleich um die Ecke im Süden von Österreich, in Kärnten. Aus nostalgischen Gründen hege ich sogar den Gedanken, mir eine Telefonzelle zu kaufen und sie im Garten aufzustellen, wenn da nicht bereits der alte Baum stehen würde, der auch stirbt. Bitte, wenn der Baum tot ist, stelle ich mir einen nigelnagelneuen Pool samt Kunstpalme in den Garten, lege mich mit meinem brandneuen Handy auf meine Designerliege und telefoniere von zu Hause aus mit meinem Fanclub. Übrigens stirbt die SMS auch aus, welch grausames Sterben aber auch! Wenn ich mit meinem Handy dann meine Lebensgeschichte mitteile, teile ich die Intimitäten gleich per Twitter einer grösseren Fangemeinde mit, dann erspare ich mir die SMS. Vielleicht treffen sich dann die Fans in meinem Garten, denn wenn erst einmal der Baum weg ist, haben wir genug Platz zum Telefonieren. Lieber Besucher, die Lebensstile ändern sich. Manch überspitzte Zungen behaupten ja, die Zeiten ändern sich. Ich sage, die Natur bleibt gleich, wenn wir sie nicht unnötig aussterben lassen. Die Technik erleichtert uns zwar in vielen Bereichen des Lebens den Alltag, aber wir können es auch übertreiben. Übrigens hat sich einer meiner Bekannten neulich sein viertes Handy gekauft, da er ein Ersatzhandy benötigt, wenn seine Frau anruft. Das Zweithandy braucht er für seine Geliebte, das dritte Telefonini für den Chef, denn da geht er selten dran, und das vierte Handy braucht er für mich, den seltenen Sonderfall in seinem lebendigen Alltag. Ich kann ihn gut verstehen, denn bei mir stehen auch mehrere Bücher im Schrank. Telefonzelle an Liebeshungrige vermietenUm den nostalgischen Hype der Telefonzelle aufrecht zu erhalten, könnte man sie an liebeshungrige Leute vermieten. Ein Sichtschutz wäre hier nicht schlecht, denn sonst sieht man von draussen, wie weit die Liebe im Gang ist. Die Champagnergläser könnte man übrigens auf der Ablage des früheren Telefonbuchs abstellen, aber was man mit dem Telefonhörer macht, weiss ich selber nicht, vermutlich jemanden anrufen. Ruf mich an! Wenn man die Telefonzelle an Paare, vielleicht sogar an alte Eheleute vermietet, bräuchte man den Sichtschutz nicht, denn man geht überwiegend davon aus, dass sich Paare in einer Langzeitehe streiten, wenn sie sich auf so engem Raum befinden. In einer Langzeitehe geht man sich überwiegend gerne aus dem Weg. Bitte, da wirkt so eine nostalgische, engräumig ausgestattete Telefonzelle wie ein Therapieraum, denn vielleicht kommt man sich beim Streiten näher und wird zum Liebeshungrigen. Die Telefonzelle als Dusche verwendenDamit der nostalgische Lifestyle einem brauchbaren Zweck zugeordnet werden kann, könnte man so eine Telefonzelle als Dusche im Privathaushalt aufstellen. Der Telefonhörer könnte als Duschbrause im edlen Design umgebaut werden, und die Telefonbuch-Ablage dient als Ablage für Duschgel und Shampoo. Voila, und schon ist die neue Designer Dusche geboren, für Trendsetter, die ihre Vergangenheit am liebsten mit ins Grab nehmen würden. Die private Telefonzelle für zu HauseEine private Telefonzelle für zu Hause ist eine gute Idee. Die früheren Telefonhäuschen finden so neue Abnehmer und werden nicht ihrem Schicksal überlassen, und der Nostalgie-Freund hat seine Freude damit. Man kann so eine Telefonzelle zur Infrarot-Kabine umbauen, zur hauseigenen Umkleidekabine im Garten, oder man verwendet sie als Rückzugsort, um drinnen mit dem Handy zu telefonieren. So würde man seine Smartphone Zeiten reduzieren und einen gesünderen Lifestyle verfolgen, denn im engen Telefonhäuschen handyfoniert man ungern stundenlang. Notfalls verwendet man sie als Besenkammer, denn zwei Besen haben mindestens drin Platz. Die Telefonzelle als kleinste DiskothekDie alte Telefonzelle hat fast ausgedient, denn so ein Telefonhäuschen lohnt sich nur, wenn ein Minimum an Einnahmen gewährleistet ist, ungefähr 100 Euro pro Monat pro Häuschen. So ein Telefonhäuschen muss gepflegt und gewartet werden, aber es gibt Telefonzellen, die werfen nur 5 bis 10 Euro an Einnahmen im Monat ab, was für eine ordentliche Instandhaltung zu wenig Geld ist. Einige Gemeinden wollen ihre Telefonzelle jedoch behalten und weigern sich, die Häuschen abzubauen. Für Kultfans und Nostalgiebewusste sind einige Telefonhäuschen umgebaut worden und dienen als Minidiskothek, aber das Sterben der Telefonzelle schreitet trotzdem voran. In so einer Minidisco kann man auf engstem Raum tanzen, sich per Kopfhörer coole Musik anhören, und mit ein bis zwei Freunden abhängen, falls man zu dritt in die Telefonzelle hineinpasst. Platzangst darf man keine haben, denn diese Disco platzt aus allen Nähten.
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