Kaum zu glauben, wir hatten einen richtig stabilen Fernseher im Wohnzimmer, einen robusten Rentner, so einen mit strahlender R”hre. Fr mich hatte der Fernseher Ausstrahlung. Mein Lebenspartner meinte jedoch, er stellt mich zusammen mit dem alten R”hrenfernseher ins Museum, denn beide werden wir langsam antik. Bitte, dies gab mir zu denken, denn vor kurzem bgelte ich eine meiner Falten mit Oil of Olaz flach, aber das darf ich als Naturfanatikerin nicht laut schreiben.
Auf jeden Fall hatten wir nach langer šberlegung unser gemtliches, aus M”beln zusammengewrfeltes Wohnzimmer ausgetauscht und in sterilem Weiss eingerichtet, mit Hochglanzm”beln. In mir stieg das Bild hoch, wie es wohl aussehen wrde, wenn die Kleinkinder meiner Bekannten zu Besuch sind und sich in den M”beln verewigen.
Pl”tzlich, mitten in meiner Gedankenflut kam mein Partner mit einem riesengrossen Flachbildfernseher an, einem 60 Zoll Bildschirm. Ich sage Ihnen, der reichte von der Wohnzimmertre bis zur Balkontre und versperrte mir den Weg in die Kche, wo ich doch so gerne am offenen Khlschrank stehe und esse. Der Flachbildfernseher war so flach, dass auch sein Ton zu flach war, um anst„ndig fernzuh”ren. Ich bin blind, bitte, fr mich h„tte er nur den Ton mitbringen mssen.
Und so kam es, dass sich mein Lebenspartner zus„tzlich zum Monster eine monstr”se Soundbar kaufte. Jetzt hatten wir den Ton, den ich mir vorstellte, aber dafr war kein Platz mehr im Wohnzimmer. Ich dachte mir nichts dabei, machte ab jetzt einen kleinen Umweg zum Khlschrank und glaubte, den Sex haben wir ohnehin im Schlafzimmer, den k”nnen wir nicht verpassen.
In den n„chsten Wochen bastelte mein Partner an einem Heimkino, kaufte gefhlte 1000 Kabel und verband sie miteinander. Voila, jetzt sitze ich mit meinem imagin„ren Hund im Schlafzimmer, ich im pinken Zobel, er in seinem pinken Z”belchen, und wir warten bis auf Weiteres auf ein wiederkommendes, intaktes Bettgeschehen. Ich schw”re, ein Heimkino ist Gift fr eine k”rperlich anregende Beziehung, da spielt sich der Sex nur noch im Kopfkino ab.
Neulich sass ich mit meinen Glasaugen im Kino und starrte die Leinwand an. Bitte, seit ich blind bin, muss ich mich erst daran gew”hnen, dass Blinde fernh”ren anstatt fernzusehen. Ich war ja heilfroh, dass ich mir keinen 3D Film ausgesucht hatte, denn den h„tte ich mir mit meinen Glasaugen wahrlich nicht verinnerlichen k”nnen. Auf jeden Fall war es fr mich eine seltsame Erfahrung, als Vollblinde im Kino zu sitzen und einen Blick auf die Leinwand zu werfen. Aber das Essen beim Mexikaner danach, das hat geschmeckt. Bei gutem Sex schmeckt ja auch die Zigarette danach k”stlich.
Auf jeden Fall gew”hne ich mich an das grosse Leinwandflair, denn fr mich ist das Kino mehr als nur zwei Stunden reiner Filmgenuss. Und deshalb bevorzuge ich Kinocenter, die neben dem Film mehr bieten, als nur die letzte Sitzreihe, in der man keine verschtteten Popk”rner von hinten an den Kopf geklatscht bekommt.
Wer ins Kino geht, m”chte sehen und gesehen werden. Er m”chte Popkorn essen und andere Leute neben sich sitzen haben, die ebenfalls Popkorn essen. Aber will der Kinogeher das wirklich? Im Grunde gehen wir ins Kino, weil wir einen Film sehen m”chten, der im Fernsehen noch nicht l„uft und auf DVD noch nicht erh„ltlich ist. Wir m”chten den Film sehen, damit wir mitreden k”nnen. Aber die Leute um uns herum brauchen wir nicht unbedingt w„hrend des Films, denn da m”chten wir unsere Ruhe haben.
Heute ist es aber schon m”glich, die neuen Kinofilme per Pay TV direkt nach Hause zu holen. Ein Heimkino mit unglaublichem Dolby Surround System macht den Fernseher zum Kino, und das Popkorn kann man auch an jeder Ecke kaufen, das raschelt zu Hause genau so gut wie im Kino. Nur der st”rende Sitznachbar, der beim Popkorn essen so schmatzt, der bleibt draussen, denn fr ihn ist die Wohnung einfach zu klein. Wenn wir das Kino zu uns nach Hause einladen, brauchen wir nicht mehr ins Kino zu gehen. Die Couch ist viel gemtlicher. Und wenn wir Leute um uns herum brauchen, laden wir Freunde ein.
Ist denn das Kino eine edle Rasse im TV Geschehen, welche vom Aussterben bedroht ist? Wenn jeder sein eigenes Heimkino besitzt, treffen sich die Leute ja nicht mehr zum Gespr„ch, denn jeder sitzt alleine zu Hause am bequemen Sofa und glotzt in sein Heimkino hinein.
Das traditionelle Kino kann gerettet werden. Man baut es einfach zur Wohlfhloase um. Kinocenter mit eingebauter Diskothek, einigen Restaurants, einigen Bars und Unterhaltungsm”glichkeiten, die laden zum Essen und Reden ein. Wenn man schon einmal hier ist, schaut man sich auch gerne einen Film an. So lebt das Kino von heute noch einmal richtig auf. Fr alle kleinen und alten Kinos heisst das entweder zusperren und den Laden aufgeben, oder umbauen und fr mehr zus„tzliche Unterhaltung sorgen. Dann klappt es auch mit den Besuchern besser.